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Nicht geringe Menge Heroin: Rechtliche Grundlagen und Strafmaß im deutschen Betäubungsmittelrecht

Das Wichtigste im Überblick

Die nicht geringe Menge bei Heroin liegt bereits ab 1,5 Gramm reiner Substanz.

Verstöße gegen die maßgeblichen Regelungen werden als Verbrechen eingestuft und mit mindestens einem Jahr Freiheitsstrafe geahndet.

Eine kompetente Strafverteidigung kann entscheidend für den Verfahrensausgang sein.

Frühe anwaltliche Beratung nach einer Vorladung ist essentiell für die Verteidigungsstrategie.

Einleitung: Warum die nicht geringe Menge bei Heroin so bedeutsam ist

Das deutsche Betäubungsmittelgesetz (BtMG) differenziert streng zwischen verschiedenen Mengen illegaler Substanzen. Bereits der Besitz vergleichsweise geringer Mengen Heroin kann zu erheblichen strafrechtlichen Konsequenzen führen. Diese gesetzliche Systematik zielt explizit auf eine wirksame Bekämpfung des Drogenhandels ab, führt jedoch gleichzeitig dazu, dass selbst Konsumenten mit relativ kleinen Mengen als Verbrecher behandelt werden.

Die Abgrenzung zwischen geringen und nicht geringen Mengen hat für Betroffene existenzielle Bedeutung. Während geringe Mengen – meist bei Eigenkonsum – noch als Vergehen einzustufen sind, bei denen unter bestimmten Umständen eine Verfahrenseinstellung nach § 31a BtMG möglich ist, ist bei Vorliegen einer nicht geringen Menge eine Einstellung nach § 31a BtMG gesetzlich ausgeschlossen und das Verfahren wird zwingend als Verbrechen verfolgt; schon der Besitz wird mit einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr sanktioniert.

Rechtliche Grundlagen der nicht geringen Menge

Definition nach § 29a BtMG

Nach § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG wird mit Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr bestraft, wer Betäubungsmittel in nicht geringer Menge unerlaubt besitzt. Andere Handlungsformen wie Anbau, Herstellung, Handel, Einfuhr oder Ausfuhr fallen unter § 29a Abs. 1 Nr. 1 BtMG, jeweils in Verbindung mit anderen Regelungen des BtMG. Die Norm richtet sich dabei an den unerlaubten Verkehr mit sogenannten „nicht geringen Mengen“.

Die nicht geringe Menge selbst ist keine fixe gesetzliche Zahl, sondern wird für jedes Betäubungsmittel durch die Rechtsprechung anhand forensischer und toxikologischer Erkenntnisse, insbesondere nach dem Maßstab der „Konsumeinheiten“, festgelegt.

Heroin-spezifische Grenzwerte

Bei Heroin (Diacetylmorphin) wird die Grenze zur nicht geringen Menge bei 1,5 Gramm Reinsubstanz gezogen, was einen besonders geringen Schwellenwert im Vergleich zu anderen Betäubungsmitteln darstellt. Dieser Grenzwert wurde durch Rechtsprechung und wissenschaftliche Experten festgelegt und spiegelt das hohe Suchtpotential sowie die Gefährlichkeit dieser Droge wider.

Im Straßenhandel ist Heroin häufig mit Streckmitteln versetzt, weshalb die tatsächlich vorhandene Menge des Wirkstoffs im Einzelfall stets per kriminaltechnischer Analyse ermittelt werden muss. Fällt beispielsweise der Reinheitsgehalt auf nur 10 %, können bereits 15 Gramm Straßenheroin die Grenze der nicht geringen Menge (1,5 Gramm Reinsubstanz) erreichen.

Strafrahmen und Konsequenzen

Der strafrechtliche Rahmen für Verstöße gegen § 29a BtMG ist streng: Gesetzlich vorgesehen sind Freiheitsstrafen von nicht unter einem Jahr bis zu fünfzehn Jahren. Das gilt sowohl für den unerlaubten Besitz als auch für andere Begehungsarten. Die Mindeststrafe von einem Jahr gilt für sämtliche Fälle, sodass auch Ersttäter von den gravierenden Konsequenzen nicht ausgenommen sind.

Für besonders schwere Fälle – insbesondere gewerbsmäßigen Handel oder Bandenmitgliedschaft (§ 30 BtMG, § 30a BtMG) – erhöht sich die Mindestfreiheitsstrafe sogar auf zwei bzw. fünf Jahre, und der Strafrahmen reicht bis zu einer Freiheitsstrafe von 15 Jahren. Hier ist eine Aussetzung der Strafe zur Bewährung regelmäßig ausgeschlossen.

Im Falle von minder schweren Fällen lässt das Gesetz einen Strafrahmen von drei Monaten bis fünf Jahren zu (§ 29a Abs. 2 BtMG). Eine Aussetzung zur Bewährung nach §§ 56 ff. StGB ist grundsätzlich möglich, soweit die ausgesprochene Strafe zwei Jahre nicht überschreitet und keine besonderen Ausschlussgründe vorliegen.

Hauptaspekte und wichtige Teilbereiche

Besitz versus Handel

Der Besitz und der Handel mit nicht geringen Mengen sind beide durch § 29a BtMG mit einer Mindestfreiheitsstrafe von einem Jahr bedroht. Damit wird auch der reine Besitz gravierend sanktioniert. Gleichwohl differenzieren Strafzumessung und gerichtliche Praxis klar zwischen dem bloßen Besitz – insbesondere im Zusammenhang mit Eigenkonsum – und dem gewerbsmäßigen Handel: Während der gesetzliche Strafrahmen identisch ist, fallen die tatsächlichen Strafen für Konsumenten nach Würdigung aller Umstände meist milder aus.

Nach ständiger Kritik in Wissenschaft und Praxis sehen viele die Anwendung des scharfen Strafrahmens auch auf Konsumentenbesitz als unverhältnismäßig an, da so Händler und Konsumenten auf den ersten Blick gleich behandelt werden. Tatsächlich werden aber bei der konkreten Strafzumessung durch die Gerichte meist gewichtige Unterschiede zwischen Besitz zur Eigenverwendung und Besitz zum Weiterverkauf berücksichtigt.

Einstellung nach § 31a BtMG

Eine Verfahrenseinstellung wegen „geringer Menge“ nach § 31a BtMG ist grundsätzlich nur bei Besitz von Mengen unterhalb der vom Gesetz und der Rechtsprechung für das jeweilige Betäubungsmittel festgesetzten Grenzen möglich. Liegt eine nicht geringe Menge vor, ist eine Einstellung nach § 31a BtMG ausdrücklich ausgeschlossen; das Verfahren wird dann zwingend als Verbrechen verfolgt.

Vorsatz und Fahrlässigkeit

Für eine Strafbarkeit nach § 29a BtMG ist ausschließlich Vorsatz erforderlich. Der Täter muss wissen oder zumindest für möglich halten und billigend in Kauf nehmen, dass die nicht geringe Menge vorliegt. Fahrlässigkeit – selbst grobe – begründet keine Strafbarkeit. Bedingter Vorsatz genügt: Wer die Möglichkeit erkennt, dass die sichergestellte Menge die Grenze überschreitet, macht sich dennoch strafbar, selbst wenn er auf das Gegenteil hofft.

Mittäterschaft und Zurechnung der Gesamtmenge

Bei arbeitsteiliger Vorgehensweise im Sinne der Mittäterschaft wird nach der Rechtsprechung des BGH jedem Mittäter grundsätzlich die gesamte verfügbare Menge zusätzlicher Betäubungsmittel zugerechnet, sofern das gemeinsame Vorgehen und eine Mitverfügung über den Rauschgiftvorrat feststellbar sind. Diese Zurechnung gilt unabhängig davon, ob jeder Mitbeteiligte tatsächlich die gesamte physische Herrschaft ausüben konnte.

Im Streitfall ist durch das Gericht eine wertende Betrachtung vorzunehmen, die insbesondere Umfang, Interesse am Taterfolg und die Beteiligung jedes Einzelnen berücksichtigt.

Typische Fallkonstellationen mit Lösungsansätzen

Der ahnungslose Kurier

Sogenannte Kuriere werden oft im Unklaren über Menge und Qualität der Drogen gelassen. Bei der Verteidigung kommt es dann entscheidend darauf an, ob dem Transporteur nachweisbar war, dass eine nicht geringe Menge vorliegt. Vorsatz muss bewiesen werden; fehlt dieser, scheidet eine Strafbarkeit nach § 29a BtMG aus.

Der Konsument mit Vorrat

Konsumenten, die Betäubungsmittel in größeren Vorräten für den Eigenverbrauch kaufen, überschreiten leicht die Schwelle zur nicht geringen Menge. Eine glaubhafte Darstellung von Eigenkonsum, Selbstgefährdung und fehlender Verkaufsabsicht kann im Strafverfahren strafmildernd wirken, ändert aber nichts am Einleitungserfordernis eines Strafverfahrens bei Überschreiten der nicht geringen Menge.

Gemeinschaftlicher Besitz

Sofern mehrere Menschen gemeinsam Heroin erwerben oder aufbewahren, wird im Regelfall jedem Mittäter die gesamte gemeinsam erworbene oder verwaltete Menge zugerechnet. Diese Rechtsprechung kann zu hohen Einzelbelastungen führen, ist aber vom BGH für Konstellationen der Mittäterschaft ausdrücklich bestätigt worden.

Praktische Tipps für Betroffene

  • Bei einer Vorladung oder Hausdurchsuchung sollte sofort anwaltliche Hilfe in Anspruch genommen werden.
  • Das Recht zu schweigen ist frühzeitig und konsequent zu nutzen.
  • Eine schnelle Akteneinsicht ermöglicht frühzeitige Klärung des Tatvorwurfs und der Beweislage.
  • Im Falle einer Festnahme muss ein Anwalt umgehend verständigt werden – die ersten Stunden sind oft für die Weichenstellung im Verfahren entscheidend.
  • Die Kanzlei Rechtsanwalt & Strafverteidiger Christian Isselhorst etwa bietet spezifische Expertise in Betäubungsmittelstrafsachen und steht Betroffenen zu jedem Zeitpunkt des Verfahrens zur Seite.

Aktuelle Entwicklungen und Rechtsprechung

Verfassungsrechtliche Diskussion

Der geringe Grenzwert und die Anwendung des strengen Strafrahmens sorgten in wissenschaftlicher Diskussion für Kritik – vor allem angesichts des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes. Bislang folgte die Judikatur diesen Einwänden nicht; der Gesetzgeber sieht keine Änderung vor.

Europäische Entwicklungen

Viele europäische Staaten setzen die Schwellwerte für die nicht geringe Menge weit höher an oder kennen Schwellenwerte gar nicht explizit. Eine Harmonisierung oder Reform ist derzeit nicht geplant, bleibt aber diskussionswürdig.

Neue Streckmittel und forensische Herausforderungen

Neue Zusammensetzungen und Streckmittel führen zu Unsicherheiten – nur eine spezifische chemische Gutachtenanalyse gibt Aufschluss über die tatsächliche Menge des Wirkstoffs und damit über die Strafbarkeit.

Häufig gestellte Fragen

Was genau bedeutet „nicht geringe Menge“ bei Heroin?

Die nicht geringe Menge bei Heroin beträgt 1,5 Gramm der reinen Substanz. Maßgeblich ist stets der durch Gutachten ermittelte Wirkstoffgehalt.

Kann ich auch wegen Besitzes verurteilt werden?

Ja, schon der Besitz einer nicht geringen Menge Heroin ist ein Verbrechen nach § 29a BtMG mit einer Mindeststrafe von einem Jahr Freiheitsstrafe.

Ist eine Bewährungsstrafe möglich?

Eine Bewährungsstrafe ist grundsätzlich möglich, sofern das Gericht eine Strafe von nicht mehr als zwei Jahren verhängt, der Täter nicht vorbestraft ist und keine weiteren gesetzlichen Ausschlussgründe bestehen.

Was sollte ich bei einer Hausdurchsuchung tun?

Bewahren Sie Ruhe, nutzen Sie Ihr Schweigerecht und bestehen Sie darauf, einen Anwalt zu kontaktieren. Lassen Sie sich in jedem Fall das Durchsuchungsprotokoll aushändigen.

Wie wichtig ist eine frühe anwaltliche Beratung?

Eine anwaltliche Beratung ist in allen Phasen des Verfahrens, insbesondere gleich zu Beginn, von entscheidender Bedeutung für die Entwicklung der bestmöglichen Verteidigungsstrategie.